2016 steht unter widersprüchlichen Sternen, zumindest was die Hoffnung auf wachsende Chancen für demokratisches Engagement betrifft. Einerseits hat selten ein Jahr so viele einflussreiche Beiligungschancen gesehen, andererseits sind die getroffenen Entscheidungen außerordentlich kontrovers ausgefallen: Ungarn, Großbritannien, Kolumbien, Schweiz, nun die USA usw. usf. Wenn sie gefragt werden, stimmen Bürgerinnen und Bürger durchaus für Abschottung, Fremdenfeindlichkeit, Überwachungsstaat und sogar Krieg, scheint es.
Freilich: Wie fair waren jene Beteiligungen? Mehrfach waren tendenziös zugespitzte Befragungen unverhohlen Vehikel von Privatinteressen. Zuweilen enthüllten sie sich später selbst mit solcher Offenheit, dass man meinte, die jeder demokratischen Staatsordnung innewohnenden Schwächen seien gezielt ausgenutzt worden.
Nur: Populisten wird es immer geben. Die Frage bleibt: Was lässt uns im Zweifel das im Geiste der ganzen Gesellschaft Richtige wählen? Die Antwort scheint paradox: wohl nur eine Gesinnung, die das Ergebnis von noch mehr Beteiligung sein wird, weil Mitgestaltung geübt werden muss. Dahinter steht der Geist Friedrich Schillers, im Angesicht der realen Unfähigkeit zur Freiheit dennoch von ihr nicht abzurücken, weil sie als Möglichkeit unserer menschlichen Entwicklung schlicht unausweichlich ist.
Damit ist allerdings eine andere Beteiligung gemeint als die der Referenda. Eine, die nicht nur momentlanges Interesse an der Macht des Wahlbürgers ausdrückt, sondern ihm und ihr in kleinen Schritten anvertraut, eigene Verhältnisse selbst zu regeln – mit allen Folgen, die das mit sich bringt. Wir sollten Räume schaffen, die es erlauben, durch Begegnung und Mitgestaltung die Konsequenzen unserer persönlichen Bedürfnisse einschätzen zu lernen, zu erkennen, wie sie mit denen anderer Menschen zusammenstimmen und wo wir gangbare Wege erst noch entdecken müssen, bevor wir sie, vielleicht durch ein Referendum, gemeinsam gehen.
Diese Kolumne über Gesellschaft erscheint monatlich als Teil des Newsletters der Sektion für Sozialwissenschaften, den ich als Redakteur verantworte. Der Newsletter zu den gesellschaftskritischen Ideen Rudolf Steiners kann hier gelesen und abonniert werden.