Das bedingungslose Grundeinkommen erfreut sich augenblicklich großen Interesses. Die Idee wird nicht nur in Davos diskutiert. Mit dem amerikanischen Finanzier „Y Combinator“, der für die monetäre Geburtshilfe vieler milliardenschwerer Internetunternehmen verantwortlich zeichnet, stellt sich eine globale Stimme hinter sie. Der Applaus ist groß.
Doch er verdeckt eine Gefahr. Wie „Vice“ in diesem Monat berichtet, befürwortet die amerikanische Privatwirtschaft das Grundeinkommen, weil es ihnen gestattet, Geld an Privatpersonen eher denn an staatliche Institutionen zu vergeben. Viele amerikanische Wirtschaftsmagnate äußern unumwunden ihre Ablehnung staatlicher Einrichtungen, wie zum Beispiel Elon Musk, der seine eigene Schule gründen will. Sie sehen das Grundeinkommen als eine Möglichkeit, möglichst viele Menschen zu Unternehmern (und Konsumenten) zu machen. Für sie ist es „venture capital for the people“.
Das Grundeinkommen gefällt den Konservativen wie der politischen Linke, so „Vice“. Mehr Geld und weniger Erwartungsdruck dienen dem Konsum. Es ist der „einfache Algorithmus“, der von Bürokratieabbau bis Unternehmertum ein ganzes Bündel liberaler Wunschvorstellungen bedient. Viele Staaten stimmen mit ein, denn sie haben vorrangig mehr Effizienz im Sinn.
Die Gefahr besteht, dass der Idee jene private Vereinnahmung droht, an der schon Rudolf Steiner 1919 scheiterte. Ein Abbau staatlicher Bevormundung darf nicht den des politischen Forums zur Folge haben, das die ganze Gesellschaft umfasst, nicht nur ihre Unternehmer. Es ist kein Markt, denn vom Unternehmer unterscheidet den Bürger zuletzt, dass er gerade nicht im Lichte seiner Befähigung betrachtet wird, einer noch so wohlmeinenden Ideologie zu dienen – sondern als Träger von Rechten, als Gleicher und Gleichen.
Weil das Grundeinkommen bisher hauptsächlich aus „anti-staatlicher“ Perspektive betrachtet wird, kann es leicht für neoliberale Zwecke eingespannt werden. Gerade die anthroposophische Stimme, die Wichtiges zum Dialog der gesellschaftlichen Kräfte beizutragen hätte, sollte sich deutlicher zu Wort melden.
Diese Kolumne über Gesellschaft erscheint monatlich als Teil des Newsletters der Sektion für Sozialwissenschaften, den ich als Redakteur verantworte. Der Newsletter zu den gesellschaftskritischen Ideen Rudolf Steiners kann hier gelesen und abonniert werden.